Nachfrageeinbrüche, Produktionsstillstände, Liquiditätsengpässe, hohe Verluste, aber vereinzelt auch neue Marktchancen: Die Covid-19 Pandemie hat sich dramatisch auf multinationale Unternehmen ausgewirkt.
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Der primäre Maßstab zur steuerlichen Beurteilung von Verrechnungspreisen ist auch in Krisenzeiten der Fremdvergleichsgrundsatz. Die besonderen Wirtschaftsbedingungen, die sich aus der Pandemie und den ergriffenen staatlichen Maßnahmen ergeben, erschweren jedoch seine Anwendung und haben spezifische Fragen aufgeworfen:

  • Wie ist bei der Prüfung der Fremdüblichkeit (z.B. Datenbankstudien) vorzugehen, wenn die durch Covid-19 beeinflussten Finanzzahlen 2020/2021 praktisch nicht mit Vorjahreswerten verglichen werden können?
  • Wie sind pandemiebedingte Kosten bzw. Verluste oder Gewinnsprünge innerhalb der Unternehmensgruppe sachgerecht zuzuweisen? Wie sind bereits implementierte Verrechnungspreissysteme anzupassen? Inwieweit kann die Leistungsvergütung eines Routineunternehmens gekürzt werden?
  • Wie sind Finanz- und Liquiditätshilfen zu berücksichtigen, wenn diese Auswirkungen auf die Preissetzung haben?
  • Wie ist bei bestehenden Advanced Pricing Agreements (APAs) vorzugehen, wenn die Bedingungen im Lichte der Covid-Krise nicht umgesetzt werden können?

Im Dezember 2020 veröffentlichte die OECD einen Leitfaden zu den Verrechnungspreisfolgen der Covid-19 Pandemie. Es handelt sich nicht um eine Erweiterung oder Korrektur der OECD Verrechnungspreisgrundsätze, sondern um eine Anwendungshilfe für Covid-19 spezifische Verrechnungspreisfragen. Der Leitfaden gliedert sich in vier Themenbereiche:

  • Vergleichbarkeitsanalyse;
  • Zuweisung von Verlusten und Covid-19-spezifischen Kosten;
  • Staatliche Hilfsprogramme und
  • Vorabverständigungsverfahren (APAs)

Im Folgenden sollen einige wesentliche Aussagen des Leitfadens präsentiert und kommentiert werden:

1. Vergleichbarkeitsanalyse

Die Durchführung von Vergleichbarkeitsanalysen zur Ermittlung fremdüblicher Preise wurde durch die Corona-Zäsur deutlich erschwert. Vergangenheitsdaten sind nur eingeschränkt anwendbar, die Pandemie hat sich auf einzelne Unternehmen unterschiedlich ausgewirkt. Es gibt nicht nur zwischen Branchen (Tourismus, Gastronomie vs. Onlinehandel oder Bauwesen), sondern auch zwischen ähnlichen Unternehmen einer Branche große Divergenzen (regionale Lockdowns, besondere Corona Hilfen, Online-Vertriebskanäle). Es ist daher immer zu berücksichtigen, wie das einzelne Unternehmen durch die Pandemie betroffen war.

Die OECD betont die Zulässigkeit des outcome testing approach (Ex-post Ansatz, Ist-Daten) bei der Festlegung marktüblicher Preise. Im Leitfaden werden auch pragmatische Ansätze wie kaufmännische Schätzungen oder Preisanpassungen von Vergangenheitsdaten (Neutralisierung des „Covid-Effekts“, der etwa von makroökonomischen Daten abgeleitet wird) diskutiert. Die Anwendung mehrerer Verrechnungspreismethoden bzw zusätzlicher Plausibilisierungen kann zweckmäßig sein. Unternehmen müssen die krisenbedingten Auswirkungen (Umsatzentwicklung, außergewöhnlichen Kosten, relevante makroökonomische Daten…) dokumentieren. Es empfiehlt sich Informationen, die den Einfluss der Pandemie auf die geprüfte Gesellschaft und ihre Transaktionen besser erklären können, zu dokumentieren.

2. Zuweisung pandemiebedingter Verluste (oder Gewinne)

Die Verluste sind entsprechend des Fremdvergleichsgrundsatzes bzw. den in den OECD VPG 2017 enthaltenen Leitlinien zur Risikoverteilung auf die Geschäftseinheiten der Gruppe zu verteilen. Eine Geschäftseinheit, die das Risiko einer Aktivität trägt, hat auch den entsprechenden Verlust aus dieser zu übernehmen. Entscheidend für die Zuordnung ist das Funktions- und Risikoprofil (Functions/Assets/Risks). Ein Routineunternehmen wird nur dann (nicht dauerhafte) Verluste tragen müssen, wenn ihm entsprechende Risiken zugeordnet sind.

Wenn sich die Umstände eines Geschäftsvorfalles grundlegend geändert haben, ist zu prüfen ob die zugehörigen Verträge Kündigungs- oder Anpassungsklauseln (Force Majeure-Klauseln, Jahresanpassung auf Ist-Kosten…) enthalten. Falls die Verträge keine Anpassung der Verrechnungspreise erlauben, stellt sich die Frage, ob unabhängige Unternehmen unter fremdüblichen Bedingungen versucht hätten, diese Verträge bzw. die darin vorgenommene Risikoverteilung neu zu verhandeln.

Im Allgemeinen ist eine einvernehmliche Anpassung bestehender Verträge nur dann fremdüblich, wenn sie zum Vorteil beider Vertragspartner ist (OECD-VPG Rz 9.84). In besonderen Krisensituationen kann es für einen unabhängigen Vertragspartner betriebswirtschaftlich vorteilhaft sein, eine für ihn zunächst nachteilige Anpassung hinzunehmen bzw. einen kurzfristigen Verlust zu tragen, um eine langfristige Geschäftsbeziehung/ Einkunftsquelle zu sichern (Bsp: Mietreduktionen, um Ankermieter zu halten). Es ist hierbei erforderlich, den Sachverhalt bzw. die Fremdüblichkeit zu dokumentieren.

In den Leitlinien wird auch die Berücksichtigung außergewöhnlicher Covid-19 spezifischer Kosten besprochen. Diese sind regelmäßig aus der Kostenbasis einer Intercompany Transaktion auszuscheiden.

3. Behandlung staatlicher Hilfsprogramme

Im Laufe der Corona-Krise wurden Unternehmen in fast allen Ländern mit umfangreichen staatlichen Hilfsprogrammen unterstützt (Darlehen, Subventionen, Fixkostenzuschüsse, Kurzarbeit, Kredite, Investitionshilfen oder Steuererleichterungen…). Im Rahmen der Verrechnungspreisanalyse müssen die verschiedenen staatlichen Maßnahmen mitberücksichtigt werden.

Zu erörtern sind die Auswirkungen auf die Fremdüblichkeit des Preises. Insbesondere stellt sich die Frage, ob ein Unternehmen eine erhaltene staatliche Förderung in Form von Preisreduktionen an Kunden weitergeben würde oder nicht. Die Regierungen wollen naturgemäß, dass diese Hilfen den Unternehmen im eigenen Land zugutekommen und nicht ins Ausland fließen. Staatliche Hilfsprogramme, auf die eine Gesellschaft Anspruch hat, können auch dazu führen, dass es zu einer Reduktion des Risikos dieser Gesellschaft kommt.

Die staatlichen Unterstützungen müssen im Einzelfall untersucht werden, um die Auswirkungen auf eine Transaktion abschätzen zu können. Besonderes Augenmerk ist darauf zu legen, wie unabhängige Unternehmen mit derartigen staatlichen Unterstützungen umgehen, z.B. ob sie diese Hilfen einbehalten oder effektiv an Vertragspartner/Kunden weitergeben.

4. Vorabverständigungsverfahren (APAs)

Bestehende APAs bleiben aufrecht, soweit es nicht iZm der Covid-19 Pandemie zu einem Bruch der Gültigkeitsbedingungen kommt. Ob dies der Fall ist, kann nur im Einzelfall beurteilt werden. Der Steuerpflichtige kann sich in diesem Fall mit der Steuerverwaltung auf eine Änderung des APAs einigen bzw. besteht die Möglichkeit, das APA vorzeitig zu beenden. Grundsätzlich empfiehlt sich, bei einer Änderung der wirtschaftlichen Bedingungen proaktiv mit den Steuerbehörden in Kontakt zu treten.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Analyse- und Dokumentationsaufwand für internationale Unternehmen für das Jahr 2020 und 2021 wesentlich erhöht ist und eine sorgfältige Prüfung, aber auch Dokumentation der Covid-Effekte erforderlich ist.

Sia haben noch Fragen? Unsere Experten Werner Leiter und Martin Blaha stehen Ihnen gerne zur Verfügung.