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Deutsches Konjunkturpaket

Zeitweise Senkung der Umsatzsteuer bis zum 31. Dezember 2020 geplant

In Deutschland hat sich die Große Koalition am 4. Juni auf ein Konjunkturpaket geeinigt, welches rund 57 Maßnahmen beinhaltet und deren Gesamtvolumen mit rund EUR 130 Mrd. taxiert wird.

Das Beschlusspapier zum Konjunkturpaket sieht vor, vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2020 die Mehrwertsteuer von 19% auf 16% zu senken und den reduzierten Satz von 7% auf 5%. Mit einem Kostenvolumen von etwa 20 Milliarden Euro stellt diese Einzelmaßnahme für den Staat wohl den größten Kostenfaktor dar. Unabhängig von der Frage, wer von der Senkung profitiert – entweder die Verbraucher, sofern die Unternehmen tatsächlich die Preise anpassen oder aber die Unternehmen selbst durch eine Optimierung ihrer Marge, gilt: Die Unternehmen sind gehalten, sich auf die mögliche, zeitweise Änderung des Umsatzsteuersatzes einzustellen.

Bisher liegt zwar nur ein Gesetzesentwurf vor, sodass die konkreten Übergangsregelungen zum 1. Juli 2020 bzw. zum 1. Januar 2021 noch nicht final feststehen. Jedoch kann nach unserer Einschätzung ein Großteil der möglichen Regelungen aus den bereits bestehenden gesetzlichen Vorschriften sowie aus dem vorliegenden Gesetzesentwurf abgeleitet werden. Somit dürfte sich in etwa folgendes Bild ergeben:

  • Maßgebend für die Steuersatzanwendung ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes

 

Kritisch zu betrachten sind in diesem Zusammenhang:

  • Anzahlungen (Vereinnahmung (Teil)Entgelt vor Steuersatzänderung – Ausführung der Leistung danach):
    Auch auf die vorab vereinnahmten Beträge wird wohl der geänderte Steuersatz anzuwenden sein. Die Berichtigung in den umsatzsteuerlichen Meldungen von Leistendem und Leistungsempfänger erfolgt dann im Veranlagungszeitraum der Ausführung der Leistung
  • Teilleistungen:
    Sollten Teilleistungen vereinbart worden sein, wären die vor der Steuersatzänderung ausgeführten Leistungen wohl mit 19% bzw. 7% zu versteuern. Die nach der Steuersatzänderung ausgeführten Leistungen unterlägen dann 16% bzw. 5%. Es sollte im Zweifel geprüft werden, ob tatsächlich Teilleistungen vorliegen oder ob es sich um Abschlagszahlungen auf eine (ungeteilte) sonstige Leistung handelt.
  • Dauerleistungen: diese werden ausgeführt
    • im Falle einer sonstigen Leistung an dem Tag, an dem der vereinbarte Leistungszeitraum endet,
    • im Falle wiederkehrender Lieferungen (außer Strom, Gas, Wärme Wasser) – am Tag jeder einzelnen Lieferung
    • Die Lieferung von Elektrizität, Gas, Wärme, Kälte und Wasser wird mit Ablauf des jeweiligen Ablesezeitraums ausgeführt
    • Verträge als Rechnung bei Dauerleistungen sollten an den geltenden Steuersatz angepasst werden, um fehlerhafte steuerliche Behandlungen sowohl beim Leistenden als auch beim Leistungsempfänger zu vermeiden
  • Langfristige Verträge:
    • Grundsätzlich sollte geprüft werden, welche Art von Entgeltvereinbarung (Vereinbarung des Bruttoentgeltes inklusive Umsatzsteuer oder Vereinbarung des Nettoentgeltes zuzüglich Umsatzsteuer) in Verträgen enthalten ist, die vor der Steuersatzänderung geschlossen wurden, deren Leistungen jedoch erst nach der Steuersatzänderung ausgeführt werden.
    • Gegebenenfalls kann sich aus § 29 Umsatzsteuergesetz ein Rechtsanspruch auf Ausgleich umsatzsteuerlicher Mehr- oder Minderbelastungen ergeben.
  • Entgeltkorrekturen:
    • Änderung der Bemessungsgrundlage tritt nach Steuersatzänderung ein – Ausführung des Umsatzes vorher: der zum Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige Steuersatz ist für die Entgeltkorrektur maßgeblich
    • Problemtisch kann hier unter anderem die Beurteilung von Gutscheinen und Jahresboni sein
  • Umsatzsteuerliche Meldungen
    • Die Formulare für die Umsatzsteuer-Voranmeldungen (UStVA) ab Juli 2020 und das Formular für die Umsatzsteuererklärung (UStE) 2020 wurden bisher noch nicht angepasst. Hier bleibt abzuwarten, wie schnell die Finanzverwaltung reagiert.
    • Die UStVA enthält in Zeile 62/ Kz. 65 eine gesonderte Box für „Steuer infolge Wechsels der Besteuerungsform, sowie Nachsteuer auf versteuerte Anzahlungen u. ä. wegen Steuersatzänderung“; auch das Formular der UStE enthält bis 2019 eine Box für „Nachsteuer auf versteuerte Anzahlungen u. ä. wegen Steuersatzänderung“ in Zeile 58/ Kz. 319)

Derzeit gibt es seitens des BMF Überlegungen zur kurzfristigen Veröffentlichung eines BMF-Schreibens mit entsprechenden Übergangs- und / oder Vereinfachungsregelungen, um mögliche negative Wirkungen der oben genannten Punkte abzumildern. Sobald dieses vorliegt, werden wir Sie unmittelbar in einem Webinar über die getroffenen Regelungen informieren.

 

Praxishinweis

Die Anforderungen sind vielfältig: Neben den genannten Punkten ergeben sich aus unserer Sicht noch die folgenden Notwendigkeiten:

  • Einrichtung neuer Steuerkennzeichen im ERP-System / in den ERP-Systemen des Unternehmens, einschließlich möglicher Kassensysteme
  • Anpassung des Rechnungslayouts zu den Stichtagen 1. Juli 2020 und 1. Januar 2021
  • Erhöhte Prüfnotwendigkeit von Eingangsrechnungen, um einen fehlerhaften Vorsteuerabzug zu vermeiden; sollte die Rechnungsprüfung automatisiert sein, wäre die Prüflogik auch entsprechend anzupassen

Die geplanten Änderungen führen zu kurzfristigen Herausforderungen aus steuerfachlicher Sicht, aber auch für die IT- und Kassensysteme der Unternehmen. Um die wirtschaftlichen Möglichkeiten, die sich insbesondere aus den Steuersatzsenkungen ergeben, optimal nutzen zu können, sollten Unternehmen in der verbleibenden Zeit die erforderlichen Anpassungen im Hinblick auf die sehr kurze Umsetzungsfrist bereits jetzt identifizieren und umsetzen. Die Umsatzsteuerexperten von Warth & Klein Grant Thornton sowie des Digital Advisory von Warth & Klein Grant Thornton beraten und unterstützen Sie zu den erforderlichen Maßnahmen, beispielsweise bei der Anpassung von Kassensystemen sowie die Umstellung der ERP-Software.

Der Original-Artikel ist bei Warth & Klein Grant Thornton erschienen