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EuGH-Urteil: USt beim Aufladen von Elektrofahrzeugen

By:
René Adam
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Der EuGH hat in einem aktuellen Urteil zur Umsatzsteuer Folgendes klargestellt: Die unterschiedlichen Leistungen innerhalb eines komplexen Leistungsbündels im Zusammenhang mit der Aufladung von Elektrofahrzeugen, die von einem Unternehmer an Ladepunkten an Nutzer:innen von Elektrofahrzeugen erbracht werden, sind als eine einheitliche Lieferung von Gegenständen (Elektrizität) zu qualifizieren.
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Im Zuge der Mobilitätswende hat die Bedeutung von Regelungen zu Elektro- und Hybridfahrzeugen auch im Steuerrecht stetig zugenommen. Im Umsatzsteuerrecht war bislang ungeklärt, ob die Leistungen im Zusammenhang mit Ladevorgängen von Elektrofahrzeugen als einheitliche Lieferungen oder sonstige Leistungen einzuordnen sind. Fraglich war dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass neben der tatsächlichen Aufladung des Fahrzeugs üblicherweise zusätzliche Dienstleistungen angeboten werden.

Der Ausgangsfall

Im gegenständlichen Fall wurde der EuGH zur umsatzsteuerlichen Beurteilung eines Leistungsbündels befragt, welches Komponenten wie die Bereitstellung von Vorrichtungen zum Aufladen von Elektrofahrzeugen, das Aufladen selbst, Leistungen betreffend technische Unterstützung sowie diverse IT‑Leistungen enthält. Die Leistungen werden durch einen Unternehmer erbracht, der gleichzeitig als Ladestationsbetreiber und Mobilitätsanbieter tätig ist.

Konkret werden von einem polnischen Unternehmer öffentlich zugängliche Ladestationen für Elektrofahrzeuge mit sogenannten Multistandard-Ladegeräten ausgestattet, die sowohl über Schnellladeanschlüsse mit Gleichstrom als auch über Langsamladeanschlüsse mit Wechselstrom verfügen. Die normale Ladezeit eines Elektrofahrzeugs auf 80 % der Batteriekapazität mittels Schnellladeanschlüssen beträgt etwa 20 bis 30 Minuten. Die Ladezeit eines Fahrzeugs mittels Langsamladeanschlüssen beträgt etwa vier bis sechs Stunden.

Die bei jedem Ladevorgang erbrachte Leistung kann je nach Bedarf des betreffenden Nutzers folgende Umsätze umfassen:

  • Bereitstellung von Ladevorrichtungen, einschließlich der Verbindung des Ladegeräts mit dem Betriebssystem des Fahrzeugs;
  • Übertragung von Elektrizität mit entsprechend angepassten Parametern an die Batterie des jeweiligen Elektrofahrzeugs;
  • notwendige technische Unterstützung;
  • Bereitstellung von IT-Anwendungen (spezielle Plattform/Website bzw. Anwendungssoftware), die Nutzern ermöglicht einen bestimmten Anschluss zu reservieren, den Verlauf der getätigten Umsätze und der erfolgten Zahlungen einzusehen und in einer elektronischen Geldbörse gespeicherte Guthaben zu erwerben bzw. für die Bezahlung der Aufladung zu verwenden.

Der den Nutzern in Rechnung gestellte Preis hängt insbesondere von der Ladezeit ab, ausgedrückt in Stunden für Langsamladeanschlüsse bzw. in Minuten für Schnellladeanschlüsse, sowie von der Art des Anschlusses. Für die Aufladung sowie alle zusätzlichen Leistungen wird ein einheitlicher Preis in Rechnung gestellt.


Das EuGH Urteil

Der EuGH hat nun in seinem Urteil vom 20. April 2023 (Dyrektor Krajowej Informacji Skarbowej, Rs. C-282/22) klargestellt, dass die im Rahmen eines Ladevorgangs von Elektrofahrzeugen zusätzlich erbrachten Dienstleistungen umsatzsteuerlich als Teil der einheitlichen Lieferung von Gegenständen (Elektrizität) zu beurteilen sind.

Als Begründung führt der EuGH aus, dass aus Sicht eines durchschnittlichen Nutzers von Ladepunkten die Übertragung von Elektrizität den dominierenden Anteil des gesamten Leistungsbündels ausmacht.

Demgegenüber stellt die Gewährung des Zugangs zu der Ladevorrichtung nur eine minimale Dienstleistung dar, die notwendigerweise mit der Lieferung von Elektrizität verbunden ist. Auch die technische Unterstützung sowie die Bereitstellung von IT-Anwendungen für Reservierungen, Umsatzauswertungen und den Erwerb von Guthaben für die Bezahlung der Aufladungen stellt keinen eigenen Zweck dar, sondern bewirkt, dass die Lieferung von Elektrizität unter optimalen Bedingungen in Anspruch genommen werden kann.

Keinen Einfluss auf diese umsatzsteuerliche Beurteilung hat, ob das Entgelt in Kilowattstunden oder in Zeiteinheiten abgerechnet wird oder ob im Entgelt neben der Menge der übertragenen Elektrizität eine Gebühr für die Abstellzeit einkalkuliert bzw. aufgeschlagen wird.


Fazit

Das Urteil des EuGH kommt wohl nicht allzu überraschend, da bereits bisher eine Tendenz in diese Richtung erkennbar war. Auch das „VAT Committee“ der Europäischen Kommission hat in ihren Stellungnahmen die beim Ladevorgang erbrachten Leistungen bereits als eine einheitliche Lieferung von Elektrizität eingestuft (Working Papers No 969; No 1012). Diese Stellungahmen haben jedoch keine rechtliche Bindung, weshalb bisher jedem EU-Mitgliedstaat seine eigene Interpretation der umsatzsteuerlichen Würdigung von Ladevorgängen möglich war.

Die österreichische Finanzverwaltung war auch bisher der Ansicht, dass beim Aufladen eines Elektrofahrzeugs durch einen Mobilitätsanbieter die Durchführung des Ladevorganges eine unselbständige Nebenleistung zur Lieferung von Elektrizität ist (Rz 348 UStR). Fraglich war, wie weit oder eng die Formulierung „Durchführung des Ladevorganges“ zu sehen war bzw. ob sämtliche für gewöhnlich zusätzlich erbrachten Leistungen darunterfallen.

Das Urteil des EugH bringt nun insofern eine gewisse Klarstellung in diesem Bereich. Dennoch ist weiterhin Vorsicht geboten, da die Rechtsprechung des EuGH sehr kasuistisch ist und daher anders gelagerte Sachverhalte durchaus auch verschieden beurteilt werden könnten. Gerne beraten wir Sie in diesem Zusammenhang näher!

Bitte beachten Sie, dass dieser Beitrag keine individuelle Rechtsberatung ersetzt und Sachverhalte ggfs. verkürzt oder auf Grundlage derzeitiger Einschätzungen dargestellt werden. Grant Thornton übernimmt keine Haftung für die Vollständigkeit oder Richtigkeit der dargestellten Informationen.