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Bewertungsfragen in Bezug auf das Erbrecht

By:
David Bugelnig MSc, CVA,
Marinko Brnadic MSc
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Neben Unternehmensbewertungen für Zwecke unternehmerischer Initiativen, wie dem Kauf und Verkauf von Unternehmen, oder für Zwecke der externen Rechnungslegung sind Unternehmensbewertungen auch aufgrund von gesetzlichen Bestimmungen durchzuführen. Im Erbrecht und folglich in der familiären Erbregelung ist der Unternehmensbewertung eine erhebliche Bedeutung beizumessen, da sich insbesondere in Bezug auf die Erbteilung sowie das Pflichtteilsrecht häufig erbrechtliche Bewertungsanlässe ergeben. Dies ist unter anderem der Fall, wenn der Erblasser* noch zu seinen Lebzeiten Familienangehörigen oder auch Dritten Unternehmen bzw. Unternehmensanteile unentgeltlich zuwendet, aber auch wenn Unternehmen oder Unternehmensanteile an Stiftungen übertragen werden. 

 

Bemessungsgrundlage für die Höhe der Pflichtteile

Das Pflichtteilsrecht stellt sicher, dass ein bestimmter Personenkreis (nahe Angehörige) einen quotenmäßig bestimmten Anteil am Vermögen des Verstorbenen erhält. Dieser Pflichtteil leitet sich in seiner Höhe vom Wert des Vermögens des Verstorbenen ab.

Pflichtteilsansprüche sind grundsätzlich von Bewertungen abhängig, da es primär die Bemessungsgrundlage für die Bestimmung der Höhe der Pflichtteile zu ermitteln gilt. Hierfür ist iSd § 778 ABGB der Wert der Verlassenschaft und gegebenenfalls iSd §§ 790 ff ABGB der Wert der hinzurechnungspflichtigen Schenkungen unter Lebenden zu ermitteln. Befindet sich beispielsweise ein Unternehmen in der Verlassenschaft oder war ein Unternehmen bzw. ein Unternehmensanteil Gegenstand einer Schenkung zu Lebzeiten, so kann die Höhe des Pflichtteiles eines Erbens erst bestimmt werden, nachdem zuvor der Wert des betreffenden Unternehmens bzw. Unternehmensanteiles bewertet wurde.

Bewertungsmaßstab und Bewertungsmethode

Der für die Wertermittlung heranzuziehende Bewertungsmaßstab ist gem §§ 305 ff ABGB der gemeine Wert bzw. Verkehrswert.  Die anzuwendende Bewertungsmethode, um den gemeinen Wert zu ermitteln, ist im Erbrecht jedoch nicht gesetzlich geregelt. Die konkrete Anwendung der ausgewählten Bewertungsmethode ist vielmehr an den zum Zeitpunkt der Bewertung vorherrschenden Erkenntnisstand der Betriebswirtschaftslehre zu knüpfen. Dieser kann grundsätzlich aus dem Fachgutachten KFS/BW 1 des Fachsenats für Betriebswirtschaft und Organisation der Kammer der Wirtschaftstreuhänder abzuleiten. Folglich lässt sich festhalten, dass auch Unternehmensbewertungen aus erbrechtlichen Bewertungsanlässen nach den im KFS/BW1 veröffentlichten Grundsätzen ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung zu erfolgen haben.

Einen einzigen „richtigen“ Unternehmenswert gibt es grundsätzlich nicht, da dieser vom Bewertungsanlass sowie vom Bewertungszweck abhängig ist. Jedoch kann gesagt werden, dass für erbrechtliche Bewertungszwecke der objektivierte Unternehmenswert iSd KFS/BW 1 für gewöhnlich passend und anwendbar ist, da dieser dem gemeinen Wert iSd § 305 ABGB gleicht. Der objektivierte Unternehmenswert iSd KFS/BW 1 repräsentiert einen typisierten Unternehmenswert, der sich bei Fortführung des Unternehmens auf Basis des bestehenden Unternehmenskonzepts mit allen realistischen Zukunftserwartungen im Rahmen der Marktchancen und -risiken, der finanziellen Möglichkeiten des Unternehmens sowie der sonstigen Einflussfaktoren ergibt. Liegen rechtliche Vorgaben für die Wertermittlung vor, so ist der Blickwinkel der Bewertung sowie der Umfang der erforderlichen Typisierungen und Objektivierungen nach den für die Wertermittlung relevanten rechtlichen Regelungen auszurichten, woraus sich ableiten lässt, dass der objektivierte Unternehmenswert auch einen Normwert darstellen kann.

Ziel des objektivierten Unternehmenswertes ist es einen Unternehmenswert zu ermitteln, welcher frei von den subjektiven bzw. individuellen Wertvorstellungen des Bewertungssubjektes ist. Der objektivierte Unternehmenswert, der einen zukunftsbezogenen Unternehmenswert bildet, wird grundsätzlich durch Anwendung eines kapitalwertorientierten bzw. konkret durch Anwendung eines Discounted Cashflow Verfahrens ermittelt.

 

Bewertungsstichtag

An dieser Stelle ist festzuhalten, dass es sich bei Unternehmenswerten immer um zeitpunktbezogene Werte handelt. Der Bewertungsstichtag ergibt sich entweder aus dem Auftrag oder aus vertraglichen oder rechtlichen Regelungen. Im Hinblick auf das Erbrecht gilt es hinsichtlich der Bewertungsstichtage, einerseits zwischen dem Bewertungsstichtag für die Bewertung der Verlassenschaft und andererseits zwischen dem Bewertungsstichtag für die Bewertung von hinzurechnungspflichtigen Vorschenkungen zu unterscheiden.

Während für die Bewertung der Verlassenschaft gem § 778 ABGB bei der Bestimmung des Bewertungsstichtages auf den Todestag des Verstorbenen abzustellen ist, sind Vorschenkungen bzw. die geschenkte Sache gem §§ 755 und 788 ABGB auf den Zeitpunkt zu bewerten, in dem die Schenkung wirklich gemacht wurde. Bei der Auslegung der Formulierung „wirklich gemacht“ ist der herrschenden Ansicht nach auf die Vermögensopfertheorie abzustellen. Da vor allem bei Vorschenkungen zwischen dem Bewertungsstichtag und dem Abschluss der Bewertung oftmals ein erheblicher Zeitraum liegen kann, gilt es vor diesem Hintergrund die „Wurzeltheorie“, die in Rz. 24 des Fachgutachtens KFS/BW 1 geregelt ist, hervorzuheben. Nach der „Wurzeltheorie“ sind bei der Ermittlung des Unternehmenswertes sämtliche Informationen, welche bei angemessener Sorgfalt hätten erlangt werden können, zu berücksichtigen. Allfällige nachträgliche Änderungen von werttreibenden Faktoren sind somit lediglich zu beachten, wenn ihre Wurzel vor dem Bewertungsstichtag liegt. 

Folglich sind in der Zwischenzeit realisierte IST-Zahlen bei der Bewertung, mit Ausnahme für Zwecke der Planungsplausibilisierung, außer Acht zu lassen. Die IST-Zahlen dürfen jedenfalls nie die Planungsrechnung ersetzen, zudem ist die Planungsrechnung aus einer Ex-ante-Perspektive mit den zum Bewertungsstichtag vorliegenden Erwartungen aufzustellen und vom Bewerter zu würdigen. Wertveränderungen der geschenkten Unternehmen bzw. Unternehmensanteile, die im Zeitraum zwischen dem Bewertungsstichtag und dem Abschluss der Bewertung eintreten, sind somit nicht zu beachten, unabhängig davon, ob diese auf externe Faktoren oder auf Handlungen oder auf das Unterlassen von Handlungen des Beschenkten zurückzuführen sind.

 

Weitere Besonderheiten im Rahmen von erbrechtlichen Bewertungsanlässen

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Unternehmensbewertung im Rahmen von erbrechtlichen Bewertungsanlässen zahlreiche weitere Besonderheiten mit sich bringen kann, die im vorliegenden Beitrag nicht erwähnt wurden. Hierbei sind unter anderem die Möglichkeit der Höherbewertungen von Anteilen mit Stimmrecht gegenüber Anteilen ohne Stimmrecht, die Möglichkeit der Berücksichtigung von Kontrollprämien bei Anteilen, welche die Beherrschung der Gesellschaft ermöglichen, sowie die Möglichkeit der Berücksichtigung von Veräußerungsbeschränkungen und deren Auswirkung auf den Unternehmenswert erwähnenswert. Vor dem Hintergrund der derzeitigen politischen Entwicklungen in Bezug auf Erbschaftssteuern gilt es daher die Bedeutung von Bewertungen in Hinblick auf das Erbrecht hervorzuheben.

 

*Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen & personenbezogenen Wörtern wird in diesem Artikel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter. 

Bitte beachten Sie, dass dieser Beitrag keine individuelle Rechtsberatung ersetzt und Sachverhalte ggfs. verkürzt oder auf Grundlage derzeitiger Einschätzungen dargestellt werden. Grant Thornton übernimmt keine Haftung für die Vollständigkeit oder Richtigkeit der dargestellten Informationen.