Blog.ESG

Überarbeitete ESRS: Beginn der öffentlichen Begutachtung

Von:
Sandra Zechmeister,
Michelle Sommerfeldt
insight featured image
Im Rahmen des Omnibus-I-Pakets hat die Europäische Kommission die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) mit der Überarbeitung der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) beauftragt. Ziel ist die Vereinfachung der ESG-Berichterstattung. Am 31.07.2025 wurden nun die Entwürfe zur öffentlichen Begutachtung veröffentlicht. Dieser Artikel liefert eine Übersicht über die wichtigsten Veränderungen und eine erste Einschätzung.

Zeitliche Einordnung der Begutachtungsentwürfe

Am 26. Februar hat die Europäische Kommission im Rahmen des sogenannten „Omnibus I“-Pakets einen Vorschlag zur Vereinfachung der ESG-Berichtsanforderungen (CSRD, EU-Taxonomie Verordnung, CSDDD und CBAM) unterbreitet und die EFRAG mit der Überarbeitung der ESRS beauftragt. Am 31. Juli 2025 wurde nun von der EFRAG der Entwurf („Exposure Draft“)  zur öffentlichen Begutachtung veröffentlicht. Die Konsultationsphase läuft bis zum 29. September 2025. Im Anschluss wird die EFRAG das Stakeholder-Feedback auswerten, weitere Überarbeitungen der ESRS vornehmen und im November 2025 die überarbeitete Version an die EU-Kommission übergeben. Es folgt dann eine Abstimmung im Trilog zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und Rat der Europäischen Union, wobei weitere Änderungen zu erwarten sind. Eine Verabschiedung der überarbeiteten ESRS vor dem Frühjahr 2026 erscheint derzeit unwahrscheinlich. Zur Anwendung sollen die überarbeiteten ESRS dann erstmals für 2026 (freiwillig) bzw. 2027 (verpflichtend) gelangen. 

 

Wesentliche Änderungen durch die Begutachtungsentwürfe

Die übergreifend bedeutendste und gleichzeitig auch besonders umstrittene Änderung ist die formale Betonung, dass die ESRS ein Prinzipien-orientiertes, „fair presentation“ Rahmenwerk und nicht einen Checklisten-orientierten Compliance-Katalog darstellen. Eine Auslegung der ESRS als „fair presentation“ Rahmenwerk hätte weitreichende Folgen für die Berichterstattung und Prüfung. Entsprechend hoch ist die Uneinigkeit im EFRAG Gremium, und entsprechend spannend werden die Ergebnisse der öffentlichen Begutachtung sein.  

Darüber hinaus gibt es fünf wesentliche Gruppen von Änderungen: 

1. Reduktion von verpflichtenden Angaben und Erhöhung der Verständlichkeit der Standards

  • Deutliche Reduktion von verpflichtenden Datenpunkten (ca. 60 %), vor allem von qualitativen Angaben (nur noch ca. 50 % sind qualitative Angaben – vormals 70 %)
  • Reduktion der Mindestangaben zu Richtlinien/Konzepten, Maßnahmen, Zielen und Metriken („General Disclosure Requirements“, ehemals „Minimum Disclosure Requirements“)  
  • Prägnantere und klarere Formulierung der Angabepflichten und deutliche Kürzung der Texte der Standards  
    (-55 % Gesamtlänge der Texte)
  • Positionierung der Anwendungsanforderungen („Application Requirements“) unmittelbar nach den zugehörigen Angabepflichten („Disclosure Requirements“) und Stärkung des Bezugs zwischen beiden

 

2. Vereinfachung des Themenkatalogs und der Doppelten Wesentlichkeitsanalyse

  • Stärkere Positionierung des „Top-down“ Ansatzes zur Wesentlichkeitsanalyse, orientiert an typischen Branchenthemen
  • Abschaffung der Ebene der Unter-Unter-Themen im Themenkatalog der ESRS
  • Betonung der Informationswesentlichkeit als zentrales Filterkriterium bei der Entscheidung, welche Informationen in den Bericht aufgenommen werden
  • Vereinfachte Dokumentationsanforderungen (angemessen und verhältnismäßig)
  • Steigerung der Klarheit hinsichtlich der Berücksichtigung von vorhandenen Maßnahmen bei der Bewertung der Wesentlichkeit (Brutto- vs. Netto-Betrachtung) 

 

3. Änderungen zur Erleichterung der Lesbarkeit der Nachhaltigkeitserklärung und ihrer Einbindung in die Unternehmensberichterstattung

  • Klarstellungen zur Flexibilität hinsichtlich des Aufbaus der Nachhaltigkeitserklärung und zur Darstellung und Strukturierung von Informationen
  • Klarstellungen zur Vermeidung von Wiederholungen und Fragmentierung in der Unternehmensberichterstattung (z.B. keine Doppelung von Richtlinien, Maßnahmen und Zielen  in verschiedenen Berichtsteilen)
  • Klarstellungen zur Kohärenz zwischen wesentlichen Themen bzw. wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen und den zugehörigen Richtlinien, Maßnahmen, Zielen und Kennzahlen 

 

4. Verbesserung der Interoperabilität mit anderen Standards 

  • Angleichung von Sprache, Begrifflichkeiten und Methodik (v.a. bei Emissionsberechnungen) an ISSB  
  • Steigerung der Interoperabilität der verpflichtenden Angaben mit weiteren Standards, insbesondere ISSB SASB, GRI, TNFD, CDP, OECD, und ILO (97 % der Datenpunkte stehen im Zusammenhang mit diesen Standards) 

 

5. Stärkung wichtiger Konzepte zur Vereinfachung der Umsetzung der ESRS

  • Stärkung des Konzepts von „unverhältnismäßigen Kosten und Aufwand“ als Eckpfeiler für notwendige Bemühungen
  • Formale Einführung des Konzepts des „Value Chain Cap“ als Eckpfeiler für notwendige Bemühungen hinsichtlich der Wertschöpfungskette
  • Stärkung von Konzepten zur Nutzung von Schätzungen und zum Auslassen von nicht-wesentlichen Aktivitäten bei der Berechnung von Kennzahlen
  • Weitere Erleichterungen hinsichtlich der Umsetzung, z.B. im Falle von Unternehmensverkäufen oder beim Umgang mit „anticipated financial effects“ 

 

Unsere Ersteinschätzung und Empfehlung

Insgesamt ist eine deutlich gesteigerte Qualität der ESRS zu erkennen. Die Reduktion der Datenpunkte, die präzisere und kompaktere Darstellung von Berichtsanforderungen sowie die zusätzlichen Erleichterungen und Klarstellungen werden die Umsetzung definitiv vereinfachen.  

In der vorgeschlagenen Betonung des „fair presentation“ Charakters der ESRS besteht allerdings ein hohes Risikopotential. Gleiches gilt auch für die weiterhin vorhandene Anforderung zur Offenlegung von unternehmensspezifischen Angaben, wenn wesentliche Auswirkungen, Risiken und Chancen nicht ausreichend durch die ESRS adressiert werden. Durch diese Aspekte besteht ein hohes Potential für Unsicherheiten bezüglich der Vollständigkeit der Nachhaltigkeitserklärung, was gerade im Rahmen der Prüfung zu Herausforderungen führen kann.  

Für Unternehmen, die sich auf eine erste verpflichtende Berichterstattung im Jahr 2027 vorbereiten, ist positiv zu betonen, dass es auf der Ebene der Angabepflichten („Disclosure Requirements“) kaum Änderungen geben wird. Für freiwillige Berichte für die Jahre 2025 und 2026, in Anlehnung an die ESRS, empfehlen wir deshalb eine pragmatische Nutzung der Angabepflichten als strukturierende Elemente.

Für Unternehmen der Wave 1, die für 2025 ihren zweiten CSRD-Bericht vorlegen werden müssen, gestaltet sich die Situation schwieriger. Auch wenn die EU-Kommission mit dem „Quick Fix Delegated Act“ zwar einige Erleichterungen während der Zeit der Unsicherheit eingeführt hat, ist vorerst trotzdem davon auszugehen, dass für 2025 die aktuellen ESRS vollständig Anwendung finden müssen (vorbehaltlich der nationalen Umsetzung der CSRD). 

 

Wir halten Sie auf dem Laufenden

Wir beobachten die Entwicklungen genau und halten Sie informiert. Falls Sie Fragen haben, worauf Sie jetzt den Fokus legen sollten, stehen Ihnen unsere Expert:innen für Sustainability Services gerne zur Verfügung.

Abonnieren Sie auch unseren monatlichen Newsletter, um alle ESG-Themen im Blick zu behalten.