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Ansässigkeit im Steuerrecht: Grundlagen, internationale Regelungen und aktuelle Rechtsprechung

Von:
Anamarija Ilic
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Wo bin ich steuerlich zu Hause? Die Frage der Ansässigkeit ist der Dreh- und Angelpunkt für die Besteuerung. Sie entscheidet sowohl über das nationale als auch über das internationale Besteuerungsrecht und somit darüber, in welchem Staat eine Person ihr Welteinkommen versteuern muss.

Begriff und Bedeutung der steuerlichen Ansässigkeit

Die steuerliche Ansässigkeit ist ein zentrales Konzept im Steuerrecht, die die steuerliche Zuordnung einer natürlichen oder juristischen Person zu einem bestimmten Staat beschreibt. Innerstaatlich wird zunächst die persönliche Steuerpflicht untersucht. Nach österreichischem Einkommenssteuergesetz (§ 1 Abs 2 EStG 1988) ist eine Person unbeschränkt steuerpflichtig, wenn sie einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat. Die Steuerpflicht erstreckt sich dabei auf das gesamte Welteinkommen. Somit sind sämtliche in- und ausländische Einkünfte in Österreich steuerlich zu erfassen. 

Die Ansässigkeit ist nicht nur im nationalen Steuerrecht, sondern insbesondere in grenzüberschreitenden Sachverhalten von hoher Bedeutung. Sie bestimmt, welchem Staat das Besteuerungsrecht für bestimmte Einkünfte zukommt und bildet die Grundlage für die Vermeidung von Doppelbesteuerung. Erzielt eine Person darüber hinaus Einkünfte in anderen Staaten, unterliegen diese dort regelmäßig der beschränkten Steuerpflicht und werden auch im jeweiligen Staat besteuert. Zur Vermeidung einer doppelten Besteuerung kommen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zur Anwendung, die festlegen, welchem Staat das Besteuerungsrecht zusteht und wie eine Entlastung, etwa durch Freistellung oder Anrechnung, erfolgen kann. 

Ansässigkeit im internationalen Kontext: OECD-Kriterien 

Im internationalen Steuerrecht spielt die Frage der steuerlichen Ansässigkeit eine zentrale Rolle – insbesondere dann, wenn eine Person nach nationalem Recht in mehreren Staaten als unbeschränkt steuerpflichtig gilt. In solchen Fällen beanspruchen mehrere Staaten das Besteuerungsrecht für das gesamte Welteinkommen der betreffenden Person, was zu Konflikten und potenzieller Doppelbesteuerung führen kann. 

Um solche Konflikte zu vermeiden, schließen Staaten sogenannte Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) ab. Die meisten dieser Abkommen orientieren sich am OECD-Musterabkommen (OECD-MA), das als internationaler Standard für die Zuweisung von Besteuerungsrechten und die Definition der steuerlichen Ansässigkeit gilt. 

Ein zentraler Anknüpfungspunkt ist dabei Artikel 4 des OECD-MA, der den Begriff der „in einem Vertragsstaat ansässigen Person“ definiert. Demnach ist eine Person dann als ansässig zu betrachten, wenn sie nach dem Recht eines Vertragsstaates aufgrund ihres Wohnsitzes, ständigen Aufenthalts, des Ortes der Geschäftsleitung oder eines ähnlichen Merkmals dort steuerpflichtig ist. 

Kommt es jedoch vor, dass eine natürliche Person nach den nationalen Vorschriften beider Vertragsstaaten als ansässig gilt, stellt sich die Frage, welchem Staat das Besteuerungsrecht zusteht. In solchen Fällen greift die sogenannte „Tie-Breaker-Regelung“ gemäß Artikel 4 Absatz 2 OECD-MA, die eine stufenweise Prüfung verschiedener Kriterien vorsieht. 

Tie-Breaker-Regelung
Zunächst wird geprüft, ob die Person in einem der beiden Staaten einen ständigen Wohnsitz hat. Besteht ein solcher Wohnsitz in beiden Staaten, wird im nächsten Schritt auf den sogenannten Mittelpunkt der Lebensinteressen abgestellt. Dieser liegt in jenem Staat, zu dem die Person die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat, wobei persönliche Beziehungen in der Regel stärker gewichtet werden.  

Gerade dieser Schritt führt in der Praxis häufig zu Unsicherheiten und stellt einen typischen Stolperstein dar, da die Feststellung des Mittelpunkts der Lebensinteressen stark vom jeweiligen Einzelfall abhängt. Es ist eine umfassende Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände erforderlich, bei der etwa familiäre Bindungen, berufliche Tätigkeiten, Vermögensverhältnisse und soziale Kontakte berücksichtigt werden. Die Abgrenzung ist daher oft komplex und erfordert eine sorgfältige Prüfung.  

Sollte auch dieses Kriterium keine eindeutige Zuordnung ermöglichen, wird subsidiär auf den gewöhnlichen Aufenthalt und falls erforderlich auf die Staatsangehörigkeit abgestellt. Bleibt die Ansässigkeitsfrage auch nach Anwendung dieser Kriterien ungeklärt, sieht das OECD-MA als letzten Schritt ein Verständigungsverfahren gemäß Artikel 25 vor. Dabei sollen die zuständigen Behörden beider Vertragsstaaten gemeinsam eine einvernehmliche Lösung finden, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. 

Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

Damit Personen und Unternehmen nicht in mehreren Staaten für dasselbe Einkommen besteuert werden, kommen in der Praxis verschiedene Mechanismen zur Anwendung, die eine Doppelbesteuerung verhindern sollen. Darunter fallen die Freistellungsmethode und die Anrechnungsmethode.

Bei der Freistellungsmethode werden die im Ausland erzielten Einkünfte im Ansässigkeitsstaat von der Besteuerung ausgenommen. Allerdings findet in vielen Fällen ein Progressionsvorbehalt Anwendung, wodurch die ausländischen Einkünfte den Steuersatz für das übrige inländische Einkommen beeinflussen.  

Demgegenüber sieht die Anrechnungsmethode vor, dass die im Ausland gezahlte Steuer auf die im Ansässigkeitsstaat geschuldete Steuer angerechnet wird. Die Anrechnung ist jedoch nur bis zur Höhe der im Inland für diese Einkünfte anfallenden Steuer möglich.

In Österreich ist die Freistellungsmethode in den meisten DBA vorgesehen. Der Progressionsvorbehalt (§ 20 Abs 2 EStG) sorgt dabei für die Berücksichtigung der Auslandseinkünfte bei der Ermittlung des Steuersatzes. 

Rechtsprechung 

In der Entscheidung vom 10. Februar 2025 (RV/7104138/2023) befasste sich das Bundesfinanzgericht mit der Ansässigkeit eines Steuerpflichtigen, der Geschäftsführerbezüge aus der Slowakei in Höhe von EUR 30.000 bezog, während er in Österreich einen Hauptwohnsitz sowie seine Ehefrau hatte und einer nicht selbständigen Beschäftigung nachging.

Das Gericht stellte klar, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich lag, da hier die stärksten persönlichen Bindungen bestanden. Trotz steuerlicher Registrierung in der Slowakei konnte die Ansässigkeit in Österreich nicht widerlegt werden. Die Einkünfte aus der Slowakei unterliegen zwar nach dem Doppelbesteuerungsabkommen Österreich–Slowakei der Besteuerung in der Slowakei und auf Grund der Befreiungsmethode somit einer Steuerfreistellung in Österreich. Sie werden jedoch im Rahmen des Progressionsvorbehalts in die österreichische Besteuerung einbezogen und zur Berechnung des Steuersatzes für das österreichische Einkommen herangezogen.  

Auch andere Entscheidungen des Bundesfinanzgerichts verdeutlichen die maßgebliche Bedeutung der persönlichen Beziehungen für die Ansässigkeitsbestimmung. So wurde etwa in einer Entscheidung vom 24. Mai 2024 (RV/7100717/2024) ein Fall beurteilt, in dem ein Steuerpflichtiger sowohl in Österreich als auch in der Schweiz einen Wohnsitz hatte. Das Gericht legte dar, dass die Qualität der persönlichen Bindungen, insbesondere familiäre Beziehungen, entscheidender ist als wirtschaftliche Verflechtungen. In einem weiteren Fall vom 21. September 2023 (RV/4100757/2019) kam das BFG zu dem Ergebnis, dass eine befristete Tätigkeit in Deutschland nicht ausreichte, um den Mittelpunkt der Lebensinteressen aus Österreich zu verlagern, solange die familiären Bindungen unverändert dort bestehen. 

Fazit

Wer in mehreren Staaten tätig ist oder Wohnsitze unterhält, sollte frühzeitig eine fundierte steuerliche Analyse vornehmen lassen. Unsere Expertise in der Auslegung der maßgeblichen Rechtsnormen und in der praktischen Umsetzung ermöglicht eine sichere Einordnung der Ansässigkeit und die Optimierung steuerlicher Konsequenzen. Wir stehen Ihnen gerne beratend zur Seite, um Klarheit zu schaffen und Risiken zu vermeiden.