
In ihrer aktualisierten Sichtweise stellt die Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) die Frage der Betriebsstätte im Zusammenhang mit Homeoffice neu dar. Sie rückt von dem Ansatz ab, die Verfügungsmacht des/der Arbeitgeber:in über das Homeoffice als maßgeblich für die Begründung einer Betriebsstätte anzusehen.
Im Update definiert die OECD neue Kriterien, die bestimmen, wann ein Homeoffice als Betriebsstätte gilt. Diese Kriterien werden im Update zum Musterkommentar ausführlich erläutert und anhand von fünf Beispielen veranschaulicht.
Ziel der neuen Regelungen ist es, mehr Rechtssicherheit für Unternehmen und Arbeitnehmer:innen bei grenzüberschreitender Telearbeit zu schaffen. Die Anpassungen waren aufgrund der Entwicklungen des Arbeitsmarktes der letzten Jahre und der Zunahme der Mitarbeiter:innen, die im Homeoffice arbeiten, notwendig.
Die neuen Kriterien im Überblick
- Vorliegen einer festen Geschäftseinrichtung (fixed place of business),
- kontinuierliche Nutzung,
- Nutzung von mehr als 50 % der Gesamtarbeitszeit innerhalb eines 12-Monatszeitraums und
- Vorliegen eines geschäftlichen Grundes (commercial reason).
Wann entsteht nun eine Homeoffice-Betriebsstätte?
- Feste Geschäftseinrichtung
Eine Betriebsstätte ist auch wie bisher eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Geschäftstätigkeit des Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird (Art 5 (1) OECD-Musterabkommen). Die Geschäftseinrichtung muss „fest” sein. Das bedeutet, dass sie regelmäßig über einen längeren Zeitraum für Unternehmenszwecke genutzt wird. Bei einer Nutzung von weniger als sechs Monaten wird in der Regel keine Betriebsstätte begründet. - Kontinuierliche Nutzung
Eine sporadische Nutzung des Homeoffice reicht für die Begründung einer Betriebsstätte nicht aus. Zur Begründung einer Betriebsstätte ist das Vorliegen einer gewissen Beständigkeit und somit einer kontinuierlichen Nutzung notwendig. Sofern Mitarbeiter:innen das Homeoffice über längere Zeit regelmäßig für Unternehmenszwecke verwenden, kann dieses als Geschäftseinrichtung gelten. Wird die Tätigkeit in der Wohnung dagegen nur gelegentlich ausgeübt, entsteht in der Regel keine Betriebsstätte. - Mindestens 50 % der Arbeitszeit
Bei einer Nutzung des Homeoffice oder eines anderen relevanten Ortes von weniger als 50 % der Gesamtarbeitszeit innerhalb eines beliebigen Zwölfmonatszeitraums, der innerhalb des Geschäftsjahres beginnt oder endet, wird in der Regel keine Homeoffice-Betriebsstätte begründet. Bei einer Nutzung des Homeoffice von mindestens 50 % der Gesamtarbeitszeit kommt es unter Umständen zu einer Begründung einer Homeoffice-Betriebsstätte. - Geschäftlicher Grund („Commercial Reason“)
Neu und wesentlich für das Begründen einer Homeoffice-Betriebsstätte ist das Vorliegen eines geschäftlichen oder wirtschaftlichen Grundes.
Entscheidend ist, ob die Tätigkeit im Homeoffice einen erkennbaren Mehrwert für das Unternehmen bringt. Dies ist der Fall, wenn die Anwesenheit des/der Mitarbeiter:in im Homeoffice-Staat notwendig ist bzw. die physische Anwesenheit die Geschäftstätigkeit erleichtert.
Beispiele für einen geschäftlichen Grund sind:
-
- Kundenbetreuung oder Akquise im Homeoffice-Staat
- Echtzeit-Interaktion mit Kund:innen in anderen Zeitzonen
- Erbringung von Dienstleistungen, die physische Präsenz erfordern
Nicht ausreichend für die Begründung einer Homeoffice-Betriebsstätte ist das Tätigwerden im Homeoffice, um eine reine Kostenersparnis zu erzielen und sich das Anmieten von Büroräumlichkeiten zu ersparen. Auch nicht ausreichend ist es, wenn die Tätigkeit im Homeoffice rein aus persönlichen Gründen des/der Mitarbeiter:in erfolgt (zum Beispiel zur Pflege eines/einer Angehörigen).
Beispiele für Orte, an denen eine Homeoffice-Betriebsstätte entstehen kann
Die OECD spricht in der Kommentierung von einem Homeoffice oder einem anderen relevanten Ort. Eine Homeoffice-Betriebsstätte kann zum Beispiel am Wohnsitz oder Zweitwohnsitz, in einem Ferienhaus, einer Ferienwohnung, einer Wohnung oder einem Haus von Freund:innen oder Verwandten begründet werden.
Conclusio
Die neuen Regeln der OECD zur Begründung einer Homeoffice-Betriebsstätte sollen Klarheit und Erleichterung bringen. Bei einer Tätigkeit von weniger als 50 % wird in der Regel keine Homeoffice-Betriebsstätte begründet. Sofern die Tätigkeit im Homeoffice mehr als 50 % beträgt, ist entscheidend, ob ein wirtschaftlicher Grund für das Homeoffice vorliegt. Vom Vorliegen eines wirtschaftlichen Grundes ist auszugehen, wenn die Tätigkeit im Homeoffice-Staat die geschäftliche Tätigkeit des Unternehmens erleichtert.
Es sind weiterhin Einzelfallbeurteilungen vorzunehmen und es ist zu empfehlen, den Sachverhalt genau zu dokumentieren. Vor allem bei der Beurteilung, ob ein wirtschaftlicher Grund vorliegt oder nicht, bleibt Raum zur Diskussion.
Abzuwarten ist, wie die österreichische Finanzverwaltung die neuen Regeln auslegt. Es ist zu hoffen, dass die bisher geltenden Verrechnungspreisrichtlinien gemäß den neuen OECD-Vorgaben adaptiert werden. Dies würde Erleichterung und mehr Rechtssicherheit in Bezug auf grenzüberschreitende Homeoffice-Betriebsstätten bringen.